Die Dame, der Teufel und die Probiermamsell & Dida Ibsens Geschichte
Mo 26.8.-Mo 26.8., 19:45 [S3]
Schock der Freiheit
D 1918. 47 Min. 35mm Filmkopie, s/w. R: Rudolf Biebrach. B: Robert Wiene. K: Karl Freund. D: Henny Porten (Probiermamsell), Alfred Abel (Baron und Teufel), Ida Perry (Dame von Welt) u.a.
D 1918. 55 Min. 35mm Filmkopie, viragiert. R, B: Richard Oswald. K: Max Faßbender. Bauten: August Rinaldi. D: Anita Berber (Dida Ibsen), Conrad Veidt (Erik Norrensen), Werner Krauß (Philipp Galen)
DIE DAME, DER TEUFEL...: Bevor Robert Wiene seinen Klassiker DAS CABINET DES
DR. CALIGARI (D, 1919/20) inszenierte, arbeitete er als Drehbuchautor eng mit Rudolf Biebrach zusammen und schrieb allein 18 Drehbücher für Henny-Porten-Filme. Ihre schauspielerische Vielseitigkeit gab Wiene Gelegenheit, sich in verschiedenen Sparten zu üben und im Jahr 1919 war sein Ruf als »Autor und Regisseur der Henny-Porten-Filme« (Der Film, 19.07.1919) bereits gefestigt.
Besessen von einem Hermelinmantel träumt eine junge Probiermamsell (altertümlich für Mannequin) vom reichen Käufer in der Gestalt des Teufels, der ihr den Mantel als Versuchung anbietet. Furchtlos trotzt sie den Gefahren der Unterwelt und meistert schließlich alle Mutproben. Wieder erwacht scheint sich das Erträumte zu verwirklichen, denn ein achttägiger Rollentausch mit der Baronin läßt das Objekt der Begierde in greifbare Nähe rücken. Während die vertauschten und angenommenen Identitäten zum festen Inventar seiner Komödien gehören, bedient sich Wiene hier bereits mythologischer Motive und spielt mit der Verwirrung zwischen Traum und Realität.
DIDA IBSENS GESCHICHTE: In Richard Oswalds fragmentarisch erhaltener Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers von Margarete Böhme flüchtet sich die ausgestoßene Heldin Dida Ibsen, gespielt von der schon zu Lebzeiten legendären Nackttänzerin Anita Berber, in eine sadomasochistische Zwangsehe mit einem Tropenfahrer. Richard Oswald gilt neben Otto Rippert als der wichtigste Vertreter der sogenannten Aufklärungs- und Sittenfilme, welche bereits während des Ersten Weltkrieges zum Zwecke einer Verbesserung der hygienischen Lebensverhältnisse der größtenteils verarmten und an Infektionskrankheiten leidenden Bevölkerung vom Reichskriegsministerium staatlich gefördert wurden. Als zwischen November 1918 und Mai 1920 die Filmzensur ausgesetzt war, verschoben sich die Filme in Richtung Voyeurismus und zogen mit ihren kalkulierten Tabubrüchen die Masse entlassener Soldaten an. Obwohl Oswalds Filme konservativer ausfielen als die Werbung suggerierte, wurden sie von beamteten Zeitgenossen vehement skandalisiert und weckten Befürchtungen vor einer Aufweichung der traditionellen Geschlechterordnung.
Vor der Vorführung beider Filme findet eine Einführung durch den Filmwissenschaftler Dr. Simon Frisch und den Master-studenten Gerrit Heber (Bauhaus-Universität Weimar) statt.